| Laute, Theorbe, Chitarrone, Barockgitarre, Barocklaute (eine kurze Einführung in die verschiedenen Lauteninstrumente von jan grueter) Im Zeitalter des Barock -dazu zählen in der Musik etwa die Jahre 1600 bis 1750- gab es eine Vielzahl von verschiedenen Lauten, die alle ihre spezielle Charakteristik und ihr eigenes, oft sehr großes, Repertoire haben. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen ist die überlieferte Lautenmusik immer in Tabulaturen notiert, einer Griffschrift, in der eine Linie einen Chor (Doppelsaite) und ein Buchstabe oder eine Zahl eine Position auf dem Griffbrett bezeichnet. 1600 war die Zeit der entstehenden Oper und des Sologesangs und somit gab auch einen Bedarf an Begleitinstrumenten, die eine Stimme stützen konnten und im Gegensatz zur damals gebräuchlichen Renaissancelaute im Ensemble gut hörbar waren. Chitarrone und Barockgitarre sind Beispiele solcher Continuoinstrumente, die in praktisch jeder frühbarocken Oper das Fundament der Musik bildeten.
Chitarrone, Theorbe Die Antike war eines der beliebtesten Themen in Italien um 1600 (einer Zeit, die nicht umsonst "Wiedergeburt" heißt). Deswegen benannte man den 'Chitarrone' auch nach der griechischen Kithara, dem Leierinstrument, zu dem man sich rezitierende Sänger vorstellte. Laut und tief sollte das benötigte Instrument sein. Also vergrößerte man die bis dahin gebräuchliche Renaissancelaute mit der Stimmung g',d',a,f,c,G. Da es keine Saite gab, die bei einer so großen Mensur eine so hohe Stimmung aushalten konnte, wurden die untersten (höchsten) beiden Saiten einfach eine Oktave tiefer gestimmt, was eine zunächst verwirrend erscheinende Stimmung ergibt, wo auf die hohe h - Saite auf einmal wieder eine tiefe e Saite folgt. Eine Baßsaite klingt nur gut, wenn sie entsprechend lang ist. Deshalb fügte man an einem verlängertem Hals zusätzliche Saiten an und bekommt eine Stimmung, deren geringer Tonumfang zur Folge hat, daß ein tiefer, dichter Satz entsteht, der über das eingestrichene 'e' selten hinausgeht. (a, e, h, g, d, A, G, F, E, D, C, H', A') Prätorius unterschied in Syntagma musicum II tiorba' und 'chitarrone' an der Art des Halses für den zweiten Wirbelkasten: für die Theorbe einen kurzen, geschweiften und den Chitarrone einen langen, geraden Halsfortsatz. Meistens werden die beiden synonym verwandt. Ab 1640 wird der Begriff 'Chitarrone' ungebräuchlich und in Frankreich nennt man es noch 'Theorbe'. Barockgitarre Bei der Barockgitarre sind dagegen die beiden tiefsten Chöre sind eine Oktave höher gestimmt (beim 4. Chor oft nur eine der beiden Saiten). (e',e'-h,h-g,g-d',D-a,a) Sie ist ein Akkordinstrument in Tenorlage ohne eigentlichen Baß, vergleichbar mit der rechten Hand eines Cembalisten, denn die Willkürlichkeit in der Sext-, Quartsext- oder Sekundakkorde auftreten, gehört zum Stil der Barockgitarre und wirkt nur dann seltsam, wenn man den Satz unbearbeitet auf eine moderne Gitarre überträgt. Beim Continuospiel hat die Barockgitarre die Funktion, die heute der Rhythmusgitarre zufällt. Ähnlich wie heute in der Pop und Jazzmusik gab es ein Notationssystem (alfabeto) in dem Akkorde einfach durch Buchstaben bezeichnet wurden, Basis für ein ausgefeiltes System an rasgueado Techniken (Anschlagen aller Saiten). Ziemlich schnell kam man auf die Idee, auch Töne wie auf der Laute einzeln anzuschlagen ëpunteadoí und die meiste Gitarrenmusik besteht aus einer Mischform dieser beiden Techniken. Theorbe und Barockgitarre haben also eine etwas 'ver-rückte' Stimmung, bei der man durch Oktavversetzungen mal eine höhere mal eine tiefere Saite erhält, die alle etwa in der selben Lage sind, ein Umstand der bei Continuospiel nicht so stark ins Gewicht fällt, beim Solospiel aber um so mehr. In der Sololiteratur wird dieser durch die Umstände erzwungene Nachteil für bestimmte Effekte wieder benutzt, zum Beispiel der campanella (Glöckchen)-Effekt, bei dem man die Töne ineinander überklingen lassen kann, schön zu hören bei Kapsberger und Sanz.
Barocklaute Die Barocklaute entstand aus Stimmungsexperimenten mit der um 1600 in Frankreich gebräuchlichen zehnchörigen Renaissancelaute. Es kristallisierte sich der `Accord Nouveau' heraus. Durch diese Stimmung auf einen offenen d- moll Akkord ist das Instrument, das außerdem noch etwas größer gebaut wurde, besonders klangvoll. Die deutsche Adaption der inzwischen elfchörigen Laute setzte ihr noch mit Hilfe eines zweiten theorbierten Wirbelkastens zwei bis drei weitere Chöre hinzu. (Stimmung:f', d', a, f, d, A, G, F, E, D, C, H', A') Der größte Meister dieses Instrumentes war Sylvius Leopold Weiss. Seine Musik stellt auch den Endpunkt der jahrhundertelangen Tradition der Laute dar, in der sie durchweg als das edelste aller Instrumente beschrieben wurde.
Weitere Infos zur CD "Lautenmusik des Barock" Die Komponisten Noch am Anfang des 17. Jahrhunderts schüttelten Franzosen und Italiener verständnislos die Köpfe über die Musik jenseits ihrer Grenzen. Durch den regen Kontakt unter den Komponisten verschwanden die Gegensätze im Laufe des Jahrhunderts immer mehr. Francesco Corbetta, einer der berühmtesten italienischen Gitarristen, verbrachte viele Jahre am französischen Hof und unterrichtete unter anderem Robert de Visée, dem ein italienischer Einfluß deutlich anzumerken ist. Auch Gaspar Sanz erhielt die musikalische Inspiration aus Italien, wo er die Spanische Gitarre studierte. Ein weiteres Bindeglied war der reisefreudige Graf Jan Antonín Losy, Böhmischer Lautenist und Komponist, der ein großer Bewunderer von Jean Baptiste Lully (ein Italiener übrigens) und ein begeisterter Anhänger des französischen Stils war, den er von seinen ausgedehnten Reisen durch Italien und Frankreich nach Prag importierte. Losy, einer der berühmtesten Lautenisten seiner Generation, war wiederum ein Vorbild für S.L.Weiss, der ihn auch einmal in Prag besuchte. Im "vermischten Geschmack" des deutschen Stils verschmelzen die cantablen italienischen und die rhetorischen französischen Elemente . Sylvius Leopold Weiss hinterließ fast 600 Kompostionen zusammengefaßt zu Suonaten und Partien für die Barocklaute. Zahlreiche Quellen bestätigen seinen Ruhm als excellenten Musiker. Seine Kompositionen wurden mit denen Bachës auf eine Stufe gestellt, wenngleich sie -dem Instrument angemessener- weniger kontrapunktisch sind und auch Elemente homophonen galanten Stils enthalten. Wie viele deutsche Komponisten des Hochbarock war auch S.L. Weiss in Italien und läßt die Begegnung mit z.B. Alessandro und Domenico Scarlatti sowie Corelli in seinen Kompositionen spüren. Die d-moll Suite ist aus dem Moskauer Weiss Manuskript zusammengestellt. Bezeichnend für den Stil des späten Weiss sind die ausufernden Formen des Presto und der Courante. Die Toccata prima von Johann Hieronymus (Giovanni Girolamo) Kapsberger stammt aus seinem vierten Buch für Chitarrone, das 1640 in Rom erschien. Kapsberger, 1580 in Venedig als Sohn eines deutschen Edelmanns geboren, war zu seiner Zeit ein gefeierter Musiker. Trotzdem wird viel über die Qualität seiner oftmals sehr wirren Kompositionen gestritten. Vollkommenheit der Proportionen, Kontrapunkt und Harmonie waren die Ideale der Renaissance, nicht die Kapsbergers. Er war ein barocker Musiker, ganz im Sinne der ursprünglichen Wortbedeutung: 'barocco'- die schiefrunde Perle. Schon sein Instrument, der Chitarrone, eignet sich nicht mehr für die Polyphonie aber um so mehr für Effekte. Mit Bindungen, Arpeggien und Campanellaeffekten begeisterte er das damalige Publikum. Der Anfang der Ciaconna von Domenico Pellegrini ist identisch mit dem Thema der Schlußarie ìPur ti miroî in Monteverdiís 'L'incoronatione di Poppea'. Die sich immer wiederholende viertaktige Harmoniefolge im 3/4 Takt war nicht nur gut geeignet, um darüber zu improvisieren und daraus die Inspiration für große Variationswerke zu holen, sondern oft auch formgebendes Element für Arien in frühbarocken Opern. Die einzelnen Abschnitte lassen sich in vielen Fällen beliebig miteinander kombinieren und den Interpreten war es ausdrücklich erlaubt, sich die Lieblingsvariationen herauszusuchen. Deshalb ist es auch gut möglich Piccininis und Kapsbergers Chiaconna einfach aneinanderzufügen und dabei ist es nicht leicht zu raten, welche Variation von wem stammt. Wie die Chiaccona besteht auch die Passacaglia aus Variationen über eine viertaktige Harmoniefolge. Oft einfach über vier abwärts gehende Baßtöne in moll, wie hier bei Kapsberger. Die Entwicklung der Passacaglia geht natürlich hin zu komplizierteren Formen. Hundert Jahre später schreibt S.L. Weiss seine Variationen über einen sieben-taktigen Baß. jan grüter | |